Dienstag 9 Ramadhaan 1445 - 19 März 2024
German

Die Gottesfurcht (Taqwa) ist der Maßstab des Unterschieds zwischen den Menschen, nicht ihre Abstammung

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Herausgabedatum : 28-10-2019

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Frage

Ich weiß, dass die Angehörigen des Propheten (Ehre und Heil auf ihm) und die, die von ihm abstammen (Ahlu-l Bayt), im Islam großes Ansehen genießen. Aber wird zwischen den Menschen aufgrund der Abstammung unterschieden, oder ist der Maßstab der Unterscheidung die Gottesfurcht (Taqwa)? Und beweist der Umstand, dass die Menschen durch den Gesandten (Ehre und Heil auf ihm) und seine Angehörigen/ Nachkommen Allahs Gunst ersuchen (Tawassul), dass seine Angehörigen und Nachkommen (Ahlu-l Bayt) besser sind als die Gefährten des Propheten? Es ist ja nicht überliefert, dass jemand nach dem Tod des Propheten durch Abu Bakr oder ‘Umar (Allahs Wohlgefallen auf ihnen) Allahs Gunst ersuchte. Ich bitte um eine Erklärung dieses Themas.

Inhalt der Antwort

Alles Lob gebührt Allah..

Erstens:

Die Liebe der Angehörigen und Nachfahren des Propheten (Ehre und Heil auf ihm) und die Wahrung ihrer besonderen Stellung und Würde ist ein Teil des Glaubens (Imaan). Und die Anhänger der Sunnah und der muslimischen Gemeinschaft (Ahlus-Sunnah wa-l Jamaa’ah) sind sich über die Pflicht, die Angehörigen und Nachkommen des Propheten (Ehre und Heil auf ihm) zu lieben und ihre Rechte zu achten, einig.

Diese besondere Stellung steht aber ausschließlich den Gottesfürchtigen unter den Angehörigen und Nachkommen des Propheten (Ehre und Heil auf ihm) zu. Und es ist die Gottesfurcht (Taqwa), die die Basis der Bevorzugung in der Religion darstellt. Allah der Erhabene sagt (in der ungefähren Bedeutung in deutscher Sprache): „Sicherlich, über die bei Allah Bevorzugten (Awliaa) soll keine Furcht kommen, noch sollen sie traurig sein, (62) diejenigen, die glauben und gottesfürchtig sind.“ (Quran 10:62-63)

Und in Sahiih Muslim (215) ist von ‘Amr Ibn Al-‘Aas überliefert, dass er sagte: „Ich hörte den Gesandten Allahs (Ehre und Heil auf ihm) deutlich vernehmbar und nicht im Geheimen sagen: ‚Wahrlich, die Angehörigen des so und so sind keine der mir Nahestehenden. Die mir Nahestehenden sind einzig und allein Allah und die rechtschaffenen Gläubigen‘.“

An-Nawawy (Möge Allah ihm barmherzig sein) sagte dazu:

„Die Bedeutung (dieser Aussage des Propheten -Ehre und Heil auf ihm-) ist: Mir nahestehend ist nur der, der rechtschaffen ist, selbst wenn seine Abstammung weit von der meinen entfernt sein sollte. Und mir nicht nahestehend ist der, der nicht rechtschaffen ist, selbst wenn seine Abstammung nahe (der meinen) sein sollte“.

Und Ibn Taimiyah (möge Allah ihm barmherzig sein) sagte:

„…Diese Besonderheiten bedeuten nicht, dass die Person selbst allein aufgrund ihrer Abstammung besser ist als andere. Jedoch wird die Bevorzugung bei Allah durch Gottesfurcht (Taqwa) erlangt, so wie der Prophet (Ehre und Heil auf ihm) sagte: ‚Wahrlich, die Angehörigen des so und so sind keine der mir Nahestehenden. Die mir Nahestehenden sind einzig und allein Allah und die rechtschaffenen Gläubigen‘. Wer also in der Glaubensstärke (Imaan) und in der Gottesfurcht (Taqwa) besser ist, der ist bei Allah besser als der, der weniger Glaube und Gottesfurcht hat als er. Und er ist von beiden der, der dem Gesandten Allahs (Ehre und Heil auf ihm) am nächsten ist, selbst wenn der andere dem Propheten (Ehre und Heil auf ihm) in seiner Abstammung näher sein sollte. Dies, da wahrlich kein Zweifel darin besteht, dass die Nähe und Loyalität im Glaube und in der Religion stärker und fester in ihrer Bindung ist als die Verwandtschaft durch Abstammung“. (Aus „Mukhtassir Al-Fataawa Al-Misriyah“, S. 567)

Siehe hierzu auch die Antworten auf die Fragen Nr. (127248) und (172733).

Somit ist die Gottesfurcht (Taqwa) der Maßstab für die Unterscheidung der Menschen untereinander und nicht allein ihre Abstammung. Allah der Erhabene sagt (in der ungefähren Bedeutung in deutscher Sprache): „Wahrlich, der Würdigste von euch bei Allah ist der Gottesfürchtigste unter euch.“ (Quran 49:13)

Jedoch ist der Gottesfürchtige unter den Angehörigen und Nachfahren des Propheten (Ehre und Heil auf ihm) aufgrund seiner ehrwürdigen Abstammung und ihrem Vorzug und ihrer Bedeutung besser als andere Gottesfürchtige. Wenn er und ein anderer also gleich in der Gottesfurcht (Taqwa) sind, so ist er dem anderen durch die ehrenvolle Abstammung überlegen. Und dies ist ein Vorzug von Allah, den Er demjenigen verleiht, dem Er will.

Zweitens:

Das Ersuchen der Gefährten des Propheten (Allahs Wohlgefallen auf ihnen) der Gunst Allahs durch den Propheten (Ehre und Heil auf ihm) (At-Tawassul) war kein Ersuchen der Gunst Allahs durch die Person des Propheten (Ehre und Heil auf ihm) und seine besondere Stellung, sondern ein Ersuchen der Gunst Allahs durch das Bittgebet (Du’aa) des Propheten (Ehre und Heil auf ihm). Wäre es ein Ersuchen der Gunst Allahs (Tawassul) durch die Person des Propheten (Ehre und Heil auf ihm) und seine besondere Stellung gewesen, so hätten sie diese Form des Ersuchens nach seinem Tod nicht gelassen, um durch den Onkel des Propheten (Al-’Abbaas) Allahs Gunst zu erlangen. Dies, da die besondere Stellung der Person des Propheten (Ehre und Heil auf ihm) vor wie auch nach seinem Tod besteht.

Ibn Taimiyah (möge Allah ihm barmherzig sein) sagte:

„Die Aussage des Führers der Gläubigen ‘Umar Ibn Al-Khattaab (Allahs Wohlgefallen auf ihm) während der unter den Muhaajiriin und den Ansaar bekannten Bitte um Regen von Allah (Al-Istisqaa): (‚Oh Allah, wenn uns eine Trockenheit heimsuchte, suchten wir Deine Gunst durch Deinen Propheten, und Du sandtest uns Regen. Und wir suchen wahrlich Deine Gunst durch den Onkel unseres Propheten‘) weist darauf hin, dass das Ersuchen der Gunst Allahs (Tawassul), die unter ihnen als legitim galt, das Ersuchen durch sein (des Propheten) Bittgebet und seine Fürsprache war, und nicht das Erbitten (von Allah) durch die Person des Propheten (Ehre und Heil auf ihm). Denn wäre dies legitim gewesen, so wären ‘Umar, die Muhaajiriin und die Ansaar nicht vom Erbitten (von Allah) durch den Gesandten (Ehre und Heil auf ihm) zum Erbitten (von Allah) durch Al-‘Abbaas (den Onkel des Propheten) übergegangen“. (Aus „Qaa’idah jaliilah fi-l Tawassul wa-l Wasiilah“, 1/123)

Und Al-Albany (Möge Allah ihm barmherzig sein) sagte:

„…Somit bedeutet das Ersuchen der Gunst Allahs des Mächtigen und Majestätischen durch eine rechtschaffene Person nicht das Ersuchen durch ihre Person selbst, ihre besondere Stellung oder ihr (besonderes) Anrecht. Vielmehr bedeutet es das Ersuchen der Gunst Allahs durch ihr Bittgebet, ihr Flehen und ihre Bitte Allahs den Erhabenen und Höchsten um Hilfe. Und dies ist die Bedeutung der Worte ‘Umars (Allahs Wohlgefallen auf ihm): ‚Oh Allah, wir erbaten wahrlich Deine Gunst durch unseren Propheten, und so sandtest Du uns Regen‘. Nämlich: Wenn zum Beispiel der Regen wenig war, gingen wir zum Propheten (Ehre und Heil auf ihm) und baten ihn, dass er Allah den Majestätischen für uns durch ein Bittgebet bat.

Diese Tatsache wird durch die weiteren Worte ‘Umars (Allahs Wohlgefallen auf ihm) bekräftigt und verdeutlicht: ‚Und wir ersuchen wahrlich Deine Gunst durch den Onkel unseres Propheten, so sende uns Regen‘. Nämlich: Nach dem Tod unseres Propheten kamen wir wahrlich mit Al-‘Abbaas, dem Onkel des Propheten (Ehre und Heil auf ihm), und baten ihn darum, unseren Herrn den Erhabenen für uns in einem Bittgebet zu bitten, dass Er uns errettet“. (Aus „Al-Tawassul – Anwaa’uhu wa Ahkaamuhu“, S. 55)

Siehe auch die Antwort auf Frage Nr. (118099).

Drittens:

Die Besten der muslimischen Gemeinschaft nach ihrem Propheten (Ehre und Heil auf ihm) sind: Abu Bakr, danach ‘Umar, danach ‘Uthmaan und nach diesem ‘Ali (Allahs Wohlgefallen auf ihnen). Dies stellt einen Konsens unter den Muslimen dar.

Ibn Taimiyah (möge Allah ihm barmherzig sein) sagte:

„Die Muslime sind sich darüber einig, dass die Gemeinschaft Muhammads (Ehre und Heil auf ihm) die beste aller Gemeinschaften ist, und dass die Besten dieser Gemeinschaft die Gefährten unseres Propheten (Ehre und Heil auf ihm) sind. Und die Besten unter ihnen sind ‚die vorausgeeilten Ersten‘ (As-Saabiquuna-l Awwaluuna –Qur’an 9:100-), und die Besten unter diesen sind: Abu Bakr, danach ‘Umar, danach ‘Uthmaan und nach diesem ‘Ali (Allahs Wohlgefallen auf ihnen)“. (Aus „Mukhtassir Al-Fataawa Al-Misriyah“, S. 560)

Die Auswahl ‘Umars von Al-‘Abbaas (Allahs Wohlgefallen auf beiden) für die Bitte um Regen bedeutet nicht, dass Al-‘Abbaas besser als ‘Umar oder ‘Uthmaan oder ‘Ali (Allahs Wohlgefallen auf ihnen) ist. Vielmehr meinte ‘Umar (Allahs Wohlgefallen auf ihm), dass das Bittgebet von Al-‘Abbaas bei Allah angenommener ist, da er zusätzlich zu seiner Rechtschaffenheit der Onkel des Gesandten Allahs (Ehre und Heil auf ihm) war. Und tatsächlich sagte der Prophet (Ehre und Heil auf ihm) einmal zu ‘Umar: „Oh ‘Umar, hast du nicht erkannt, dass der Onkel eines Mannes gleich seinem Vater (im Ursprung) ist?“ (Überliefert in Sahiih Muslim, 983)

An-Nawawy (Möge Allah ihm barmherzig sein) sagte:

„…Also wie sein Vater. In dieser Aussage steckt die Anerkennung des enormen Anrechts/ Rechts des Onkels“.

So erkannte ‘Umar an diesem Tag den Vorzug von Al-‘Abbaas und seine Ehrwürdigkeit an und bevorzugte ihn für das Bittgebet.

Auch kann es sein, dass ‘Umar den Menschen den Vorzug der Verwandten und Nachkommen des Propheten (Ahlu-l Bayt) und deren Ehrwürdigkeit verdeutlichen wollte, so dass ihre Position anerkannt und ihnen ihr Recht zuteil wird. Und dies sind legitime Intentionen in der Religion (Maqaasid Shar’iyah).

Auch ist die Bevorzugung ‘Umars von Al-‘Abbaas ein Ausdruck der Bescheidenheit und ein Eingeständnis der eigenen Schwäche im Angesicht einer Notwendigkeit, deren Erfüllung man von Allah erbittet, was einer der Gründe für die Erhörung des Bittgebets darstellt.

Tatsächlich besaßen die Gefährten des Propheten (Allahs Wohlgefallen auf ihnen) ein gewaltiges Maß an Bescheidenheit und Demut vor Allah.

As-San’aany (möge Allah ihm barmherzig sein) sagte:

„…Dies zeigt den Vorzug von Al-‘Abbaas und die Bescheidenheit ‘Umars und sein Wissen um das Anrecht der Ahli-l Bayt (der Angehörigen und Nachkommen des Propheten) (möge Allah sie würdigend erwähnen)“. (Aus „Subul us-Salaam“, 1/453)

Es ist aber keine Voraussetzung für die Bitte um Regen (Istisqaa), dass für das Bittgebet der Beste unter den (anwesenden) Menschen ausgewählt wird. Vielmehr genügt es, dass derjenige, der für das Bittgebet und für die Bitte um Regen gewählt wird, zu denen gehört, die für ihre Rechtschaffenheit und Gottesfurcht bekannt sind.

Ibn Taimiyah (möge Allah ihm barmherzig sein) sagt:

„Die islamischen Rechtsgelehrten der Anhänger von Ash-Shaafi’y und Ahmad und andere erwähnten, dass bei der Bitte um Regen (Istisqaa) die Gunst Allahs durch die Guten und Rechtschaffenen ersucht wird“. (Aus „Majmuu‘ Al-Fataawa“, 1/225)

Tatsächlich bat auch Mu’aawiyah (Allahs Wohlgefallen auf ihm) durch Yasiid Ibn Al-Asswad Al-Jurashy um Regen, wobei kein Zweifel darin besteht, dass Mu’aawiyah besser als Yasiid ist. Jedoch war Yasiid für seine Rechtschaffenheit und sein vieles Weinen aus Ehrfurcht vor Allah bekannt. Und diese Eigenschaften machen es für ihren Besitzer wahrscheinlicher, dass er von Allah erhört wird, wenn er ein Bittgebet spricht.

Al-Albany (möge Allah ihm barmherzig sein) sagte:

„Und von Ibn Al-‘Assaakir wurde mit starker/richtiger Überlieferungskette überliefert, dass Ad-Dhahaak Ibn Qaiss hinausging, um für die Leute um Regen zu bitten. Da sagte er auch zu Yasiid Ibn Al-Asswad: ‚Erhebe dich, oh der du viel weinst‘. Ibn Al-‘Assaakir erwähnte zusätzlich in einer (anderen) Überlieferung: Und er (Yasiid) sprach keine drei Male ein Bittgebet, außer dass daraufhin ein solch starker Regen auf sie niederging, dass sie durch ihn zu ertrinken drohten“. (Aus „Al-Tawassul“, S. 42)

Und Allah weiß es am besten.

Quelle: Islam Q&A