Dienstag 9 Ramadhaan 1445 - 19 März 2024
German

Über das Entschuldigen aufgrund von Unwissen (Al-ˈUdhr bi Al-Jahl)

Frage

Ich habe einige Verwandte, die Sufis sind. Sie folgen dem, was ihr Schaikh ihnen sagt und glauben, dass er zu den Leuten des Wissens gehört. Sie verrichten Taten, die unter die große Beigesellung (Schirk Akbar) fallen, jedoch tun sie dies aufgrund ihrer speziellen Fehlinterpretation und sie sind der arabischen Sprache auch nicht mächtig. Sie besitzen eine ungefähre Übersetzung der Bedeutung des Korans in ihre Muttersprache, lesen sie jedoch nicht. Ich habe bereits gelesen, dass ein Muslim bei großer Beigesellung (Schirk) und Unglauben (Kufr) nicht entschuldigt wird, wenn er in der Lage ist den Koran zu lesen, wenn er in seiner Umgebung, in der er lebt, einen Zugang zum Koran hat, oder wenn er die Möglichkeit hat sich an Gelehrte zu wenden und sie zu befragen.
Bin ich dazu verpflichtet sie zu Ungläubigen zu erklären (sprich Takfir auf sie zu machen), oder muss ich mich davor hüten?

Inhalt der Antwort

Alles Lob gebührt Allah..

Erstens:
Die Pflicht eines jeden Muslim ist es die Einzigkeit Allahs (Tauhid) zu verwirklichen, dem Koran und der Sunna zu folgen, entsprechend dem Verständnis der tugendhaften Altvorderen (Salaf), sich vor Neuerungen und deren Leuten zu distanzieren, sowie von den Wegen der Sufis und deren Leuten. Es ist daher verpflichtend ihre Wege zu meiden und von ihren Pfaden fernzubleiben.

Zweitens:
Es ist nicht erlaubt mit der Beurteilung (Takfir) eines Muslims als Ungläubigen (Kafir) oder Frevler (Fasiq) leichtfertig umzugehen, weil darin eine Lüge/Verleumdung gegenüber Allah und Seinen Dienern, den Muslimen, liegt. Es ist nicht erlaubt den Muslim zum Ungläubigen (Kafir) oder Frevler (Fasiq) zu erklären, bis er etwas gesagt oder getan hat, was den Beweisen nach, entsprechend dem Koran und der Sunna, dieses Urteil nach sich zieht.

Genauso ist es nicht erlaubt den Takfir (sprich jemanden zum Ungläubigen zu erklären) und den Tafsiq (jemanden zum Frevler zu erklären), bis die Voraussetzungen erfüllt und die Hindernisgründe geräumt wurden.
Zu den Voraussetzungen gehört, dass er bezüglich seiner Abweichung (Tat), welche das Urteil eines Ungläubigen oder Frevlers nach sich zieht, Wissen hat.

Und zu den Hindernisgründen gehört, dass er etwas falsch gedeutet/interpretiert hat oder einige Scheinargumente angenommen hat, welche er für Beweise hielt, oder dass er es nicht vermochte das islamrechtliche Argument richtig zu verstehen.

Der Takfir wird erst angewendet, nachdem festgestellt wurde, dass die Verfehlung/Widersetzung willentlich geschah, und nachdem das Unwissen aufgehoben (beseitigt) wurde.
Drittens:
Das Richtige in der Angelegenheit bezüglich des Unwissenden (Jahil) und seiner Entschuldigung (ˈUdhr) ist, dass wenn der Islam eines Muslims bestätigt wurde, dieser nicht alleine durch ein Scheinargument schwindet, sondern erst durch Überzeugung/Sicherheit (Yaqin) und nach der Erbringung des Arguments, welches diesen Entschuldigungsgrund aufhebt.
Schaikh Muhammad Ibn ˈAbdilwahhab -möge Allah ihm barmherzig sein- sagte:

„Wenn wir diejenigen, welche die Statue anbeten, die sich auf dem Grab von ˈAbdulqadir und auf dem Grab von Al-Badawi befindet, nicht zum Ungläubigen (Kafir) erklären, aufgrund ihres Unwissens (Jahl) und Nichtvorhandenseins von jemandem, der sie aufklärt, wie sollen wir dann jemandem zum Ungläubigen erklären oder bekämpfen, der Allah niemand beigesellt (keinen Schirk macht), nur weil er nicht zu uns die Auswanderung unternimmt? - „Preis sei Dir! Das ist eine gewaltige Verleumdung!“ – [An-Nur 24:16]
[Ende des Zitats aus (Ad-Durar As-Saniyya“ (1/104)]

Es ist bekannt, dass die Grundlage bezüglich dieser Nichtaraber ist, dass sie in Ländern und Gesellschaften aufgewachsen sind, in denen das Unwissen bezüglich vieler islamrechtlicher Urteile/Regelungen und Rituale stark verbreitet ist, insbesondere was die Sunna anbelangt und mit dem reinen Monotheismus (Tauhid) zu hat. Sie haben einen allgemeinen Glauben (Iman) und sind bezüglich vieler Einzelheiten unwissend.

Schaikh Al-Islam Ibn Taymiyya -möge Allah ihm barmherzig sein- sagte:
„Der Takfir gehört zu den Drohungen. Selbst wenn eine Aussage inhaltlich den Gesandten der Lüge bezichtigt, so kann es sein, dass die Person neu im Islam ist oder in einer weitentfernten Einöde aufgewachsen ist. Dieser begeht durch seine Verleugnung alleine keinen Unglauben, bis das Argument (Hujjah) gegen ihn erbracht wurde.
Es kann sein, dass die Person diese Texte nicht gehört hat, oder sie gehört hat, sie ihn jedoch nicht authentisch erscheinen, oder sie ihm einer uminterpretiert hat, selbst wenn dieser einen Fehler begangen hat. Ich pflegte immer die Überlieferung des Mannes zu erwähnen, der sagte: „Wenn ich sterbe, so sollt ihr mich verbrennen, dann einäschern und mit dem Wind verteilen. Denn bei Allah, wenn mein Herr über mich die Macht hätte, so würde Er mich derart hart strafen, wie er noch niemanden zuvor bestraft hat.“ Als er starb, wurde so mit ihm verfahren. Daraufhin befahl Allah der Erde: Sammle zusammen, was von ihm in dir ist, worauf er dann da stand. Daraufhin sagte Er: „Was hat dich dazu gebracht das zu tun, was du getan hast?“ Er (der Mann) sagte: „O mein Herr, die Furcht Dir gegenüber.“ Daraufhin vergab Er ihm.“ [Überliefert von Al-Bukhary und Muslim]
„Dieser Mann zweifelte an der Allmacht Allahs und daran, dass er zurückgebracht wird, nachdem er (im Wind) zerstreut wurde. Er glaubte sogar, dass er nicht zurückkehren wird. Dieses stellt dem Konsens der Muslime nach Unglauben (Kufr) dar. Er war jedoch unwissend (Jahil) und wusste es nicht, wobei er an Allah glaubte und fürchtete, dass Allah ihn bestraft, aufgrund dessen Allah ihm vergeben hat. Derjenige, der zu den Leuten des Ijtihad (eigenständiger Urteilsfindung) gehört und eine falsche Deutung macht, er jedoch darauf bedacht ist dem Gesandten zu folgen, hat mehr als dieser Mann Anrecht daran, dass ihm Vergebung zu Teil wird.“

[Ende des Zitats aus „Majmuˈ Al-Fatawa“ (2/231)]

Er sagte auch:
„Viele Menschen wachsen an Orten oder zu Zeiten auf, in denen viel vom Wissen der Botschaft verblasst ist, so dass niemand übrig geblieben ist, der sie darüber aufklärt, womit Allah Seinen Gesandten geschickt hat. Daher wissen sie nicht viel von dem, womit Allah Seinen Gesandten geschickt hat, und es gibt da niemanden der ihnen das überbringt. So jemand begeht keinen Unglauben (Kufr). Aus diesem Grund sind sich die Imame einig, dass derjenige, der in einer weitentfernten Einöde aufwächst, die von Leuten des Wissens und Glaubens weit entfernt ist, er neu im Islam ist und etwas von diesen offenkundigen durch Vielzahl überlieferten Regeln/Urteile leugnet, nicht mit dem Urteil des Unglaubens (Kufr) belegt wird, bis er erfahren hat, womit der Gesandte gekommen ist.“
[Ende des Zitats aus „Majmuˈ Al-Fatawa“ (11/407)]

Es ist ungenügend, dass sie alleine die Übersetzung des Korans kennen, ja nicht einmal, wenn sie ihn in seiner Sprache zu lesen vermögen. Denn wie viele gibt es, die des Arabischen mächtig sind, und ihnen dann immer noch nicht aus dem Text des Korans und der Sunna das klar ist, was ihren Fehler aufzeigt, oder die Nichtigkeit der Sachen (in der sie sich befinden), oder ob dieses zur Beigesellung (Schirk) gehört oder nicht.
Hafidh Ibn Hajar -möge Allah ihm barmherzig sein- sagte:

„Al-Ghazali sagte in seinem Buch „At-Tafriqa Bayna Al-Imani wa Az-Zandaqa“:
„Man muss sich vor dem Takfir in Acht nehmen, Vorsicht walten lassen, wenn es dazu einen Weg gibt, da die Erlaubnis zum Blutvergießen eines Betenden, der den Tauhid bestätigt, ein Fehler ist. Dabei ist der Fehler tausend Ungläubige (Kuffar) am Leben zu lassen geringer als derjenige Fehler, der zu Folge hat, dass das Blut eines einzigen Muslims vergossen wird.“

[Ende des Zitats aus „Fath Al-Bari“ (12/300)]
Die Antwort an den Fragesteller lautet, dass er sich Abmühen muss seine Verwandten und Bekannten aufzurufen, und ihnen den reinen Monotheismus (Tauhid) und die Sunna näher zu bringen. Dabei muss er bei seiner Verletzung (Schadenszufügung) ihrerseits, deren Ablehnung und Grobheit ihm gegenüber standhaft und geduldig sein. Dieses ist gewiss die gewaltigste Stellung, die der Diener unter den Menschen einnehmen kann.
Allah -erhaben ist Er- sagte:
„Und wer spricht bessere Worte als wer zu Allah ruft, rechtschaffen handelt und sagt: "Gewiss doch, ich gehöre zu den (Allah) Ergebenen " Nicht gleich sind die gute Tat und die schlechte Tat. Wehre mit einer Tat, die besser ist, (die schlechte) ab, dann wird derjenige, zwischen dem und dir Feindschaft besteht, so, als wäre er ein warmherziger Freund. Aber dies wird nur denjenigen dargeboten, die standhaft sind, ja es wird nur demjenigen dargeboten, der ein gewaltiges Glück hat. Und wenn dich vom Satan eine Eingebung aufstachelt, dann suche Zuflucht bei Allah, denn Er ist ja der Allhörende und Allwissende.“ [Fussilat 41:33-36]

Und Allah weiß es am besten.

Quelle: Islam Q&A