Freitag 21 Jumaada Al-Awwah 1446 - 22 November 2024
German

Das Bedürfnis der Menschen nach der Religion

Frage

Warum brauchen die Menschen Religion? Reichen die Gesetze (der Menschen) nicht aus, um das Leben der Menschen zu regeln?

Inhalt der Antwort

Alles Lob gebührt Allah..

Das Bedürfnis der Menschen nach Religion ist größer als ihr Bedürfnis nach allem anderen im Leben, denn der Mensch muss wissen, was Allah – Erhaben ist Er – zufrieden stellt und was Seinen Zorn erregt. Er braucht eine Handlungsweise, um Nutzen zu erlangen, und eine Handlungsweise, um Schaden abzuwenden. Die islamische Gesetzgebung (arab. Scharia) unterscheidet zwischen Handlungen, die nützen, und solchen, die schaden. Sie ist Allahs Gerechtigkeit unter Seinen Geschöpfen und Sein Licht unter Seinen Dienern. Daher können die Menschen nicht ohne eine göttliche Gesetzgebung leben, die ihnen zeigt, was sie tun und was sie lassen sollen.

Und wenn der Mensch einen Willen hat, muss er wissen, was er will, ob es nützlich oder schädlich ist und ob es ihm nützt oder schadet.

Einige dieser Dinge erkennen manche Menschen durch ihre natürliche Veranlagung (arab. Fitrah), einige durch logische Schlussfolgerungen mit ihrem Verstand, und einiges wissen sie nur durch die Belehrung und Rechtleitung der Gesandten. – Siehe „At-Tadmuriyya” von Shaikh Al-Islam Ibn Taimiyya, S. 213, 214, und „Miftah Dar As-Sa’ada”, Band 2, S. 383.

Egal wie sehr sich die materialistischen und atheistischen Ideologien wappnen und schmücken, und egal wie viele verschiedene Ideen und Theorien es gibt, sie werden den Einzelnen und die Gesellschaften nicht vom wahren Glauben abhalten und sie werden nicht in der Lage sein, die Bedürfnisse von Geist und Körper zu erfüllen. Je mehr der Einzelne sich in diese Ideologien vertieft, desto mehr wird er völlig überzeugt sein, dass sie ihm keine Sicherheit bieten und seinen Durst nicht stillen können. Es gibt keinen Ausweg daraus außer zum wahren Glauben. Ernest Renan sagt:

„Es ist möglich, dass alles, was wir lieben, vergeht und das Leben der Nutzung von Verstand, Wissenschaft und Industrie aufhört. Aber es ist unmöglich, dass Religiosität verschwindet. Sie wird vielmehr ein unwiderlegbarer Beweis für die Falschheit der materialistischen Ideologie bleiben, die den Menschen auf die niederen Zwänge des irdischen Lebens beschränken will.“ Siehe: „A-Din“, verfasst von Abdullah Draz, S. 87.

Muhammad Farid Wajdi sagt: „Es ist unmöglich, dass die Idee der Religiosität verschwindet, denn sie ist die edelste Neigung der Seele und die edelsten Gefühle. Ganz zu schweigen von einer Neigung, die das Haupt des Menschen erhebt. Diese Neigung wird sogar zunehmen, denn die natürliche Veranlagung der Religiosität wird den Menschen verfolgen, solange er einen Verstand hat, mit dem er Schönheit und Hässlichkeit erkennt. Diese natürliche Veranlagung wird in dem Maße zunehmen, wie sein Verständnis und seine Kenntnisse wachsen.“ Siehe: „Ad-Din“, verfasst von Abdullah Darraz, S. 87.

Wenn sich der Mensch von seinem Herrn entfernt, dann erkennt er trotz seiner hochentwickelten Kenntnisse und seines weiten Horizonts die Größe seiner Unwissenheit über seinen Herrn und was diesem gebührt, seine Unwissenheit über sich selbst und was ihr nützt und schadet, sie glücklich oder unglücklich macht. Ebenso erkennt er seine Unwissenheit in den einzelnen Wissenschaften und deren Themen, wie der Astronomie, der Computerwissenschaften, der Kernphysik und anderen… Dann kehrt der Wissende von einer Phase des Hochmuts und Stolzes zur Demut und Unterwerfung zurück und glaubt, dass hinter den Wissenschaften ein weiser Gelehrter steht und hinter der Natur ein mächtiger Schöpfer. Diese Wahrheit zwingt den aufrichtigen Forscher, an das Verborgene zu glauben, die wahre Religion anzuerkennen und auf den Ruf der natürlichen Veranlagung und Instinkte zu reagieren. Wenn der Mensch dies aufgibt, verdirbt er seine natürliche Veranlagung und er sinkt auf das Niveau eines stummen Tieres herab.

Daraus schließen wir, dass die wahre Religiosität – die darauf beruht, Allah allein die Einzigartigkeit zuzuschreiben (arab. Tauhid) und Ihm gemäß Seinen Geboten zu dienen – ein notwendiges Element des Lebens ist. Dadurch kann der Mensch seine Hingabe an Allah, den Herrn der Welten, verwirklichen und sein Glück und seine Sicherheit vor Schaden und Unglück in beiden Welten erreichen. Diese Religiosität ist notwendig, damit die theoretische Kraft des Menschen vollständig wird. Nur durch sie findet der Verstand, was seinen Hunger stillt; ohne sie kann er seine höchsten Bestrebungen nicht erreichen.

Und er ist ein notwendiges Element zur Läuterung der Seele und zur Zähmung der Kraft des Gefühls, denn die edlen Emotionen finden in der Religion ein reichhaltiges Feld und eine unerschöpfliche Quelle, in der sie ihr Ziel erreichen.

Und es ist ein notwendiges Element, um die intellektuelle Kraft zu vervollständigen, indem es ihr die größten Anreize und Motive verleiht und sie mit den stärksten Mitteln gegen Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit wappnet.

Daher, wenn jemand sagt, dass der Mensch von Natur aus gesellig ist, sollten wir sagen: „Der Mensch ist von Natur aus religiös.“ (Siehe die vorherige Quelle, S. 84, 98). Denn der Mensch verfügt über zwei Kräfte: Eine intellektuelle Kraft und eine praktische Willenskraft. Sein vollständiges Glück hängt davon ab, dass er seine intellektuelle Kraft und praktische Kraft vervollständigt. Die Vervollständigung der intellektuellen Kraft kann nur durch das Wissen über Folgendes erreicht werden:

  1. Die Kenntnis über Gott, den Versorger und den Schöpfer, der den Menschen aus dem Nichts erschaffen und ihm Seine Gaben geschenkt hat.
  2. Die Kenntnis der Namen und Eigenschaften Allahs und dessen, was Ihm – erhaben ist Er – zusteht, sowie der Auswirkungen dieser Namen auf Seine Diener.
  3. Die Kenntnis des Weges, der zu Ihm – erhaben ist Er – führt.
  4. Die Kenntnis der Hindernisse und Mängel, die den Menschen davon abhalten, diesen Weg zu erkennen und das große Wohl zu erreichen.
  5. Die tatsächliche Kenntnis über sich selbst und das Verständnis, was man braucht, was einen verbessert oder verschlechtert, sowie die Eigenschaften und Mängel, die man in sich trägt.

Durch diese fünf Erkenntnisse vervollständigt der Mensch seine intellektuelle Kraft. Die Vervollständigung der intellektuellen und willentlichen Kraft kann (zudem) nur erreicht werden, indem man die Rechte Allahs – erhaben ist Er – gegenüber dem Diener beachtet und sie mit Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit, Rat und Befolgung erfüllt, sowie indem man Seine Gnade erkennt. Es gibt keinen Weg, diese beiden Kräfte vollständig zu entwickeln, außer durch Seine Hilfe. Er (der Mensch) ist darauf angewiesen, dass Er (Allah) ihm den geraden Weg weist, den Er Seinen (Allahs) Gefolgsleuten (arab. Awliya) gezeigt hat. Siehe: „Al-Fawa’id“, S. 18-19.

Nachdem wir erkannt haben, dass der wahre Glaube die göttliche Unterstützung für die verschiedenen Kräfte der Seele ist, ist der Glaube auch das schützende Schild für die Gesellschaft. Denn das menschliche Leben kann nur durch Zusammenarbeit zwischen seinen Mitgliedern bestehen, und diese Zusammenarbeit wird nur durch ein System ermöglicht, das ihre Beziehungen regelt, ihre Pflichten festlegt und ihre Rechte gewährleistet. Dieses System benötigt eine Autorität, die die Menschen davon abhält, es zu verletzen, sie zur Einhaltung motiviert, seinen Respekt in den Herzen sichert und seine Heiligkeit schützt. Was ist also diese Autorität? Ich sage: Es gibt auf der Erde keine Macht, die mit der Kraft des Glaubens vergleichbar ist oder ihr nahekommt, wenn es darum geht, den Respekt für das System zu gewährleisten, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu sichern, und die Gründe für Ruhe und Sicherheit zu schaffen.

Das Geheimnis dafür liegt darin, dass der Mensch sich von anderen Lebewesen dadurch unterscheidet, dass seine freiwilligen Handlungen und Verhaltensweisen von etwas geleitet werden, das weder durch Gehör noch durch Sehen wahrnehmbar ist. Es handelt sich um eine Glaubenslehre (arab. Aqidah), die die Seele veredelt und die Glieder reinigt. Der Mensch wird stets von einer richtigen oder falschen Glaubenslehre geleitet. Wenn seine Glaubenslehre gesund ist, wird alles in ihm gut sein; und wenn seine Glaubenslehre verdirbt, verdirbt alles in ihm.

Die Glaubenslehre und der Glaube (arab. Iman) sind die inneren Wächter des Menschen, und sie sind – wie man allgemein bei der Menschheit beobachten kann – in zwei Arten unterteilt:

– Der Glaube an die Werte der Tugend und die Würde der Menschheit sowie andere abstrakte Bedeutungen, bei denen edle Seelen sich davor scheuen, den Anreizen zu widersprechen, selbst wenn sie von äußeren und materiellen Konsequenzen befreit wären.

– Der Glaube an Allah – erhaben ist Er – und daran, dass Er über die verborgenen Dinge wacht, (und) er kennt das Verborgene und Offenkundige. Die (islamische) Gesetzgebung (arab. Scharia) schöpft seine Autorität aus Seinem Befehl und Verbot, und die Gefühle werden durch Scheu vor Ihm entweder aus Liebe oder aus Furcht, oder aus beidem zusammen erregt. Zweifellos ist dieser Glaube die stärkste der beiden Arten von Glauben, die auf die menschliche Seele einwirkt. Er ist die wirksamste Waffe gegen die Stürme der Begierde und die Schwankungen der Emotionen und dringt am schnellsten in die Herzen von sowohl allgemeinen als auch bestimmten Menschen ein.

Deshalb ist der Glaube die beste Garantie für das ordnungsgemäße Zusammenleben der Menschen auf der Grundlage von Gerechtigkeit und Fairness, und daher ist er eine soziale Notwendigkeit. Es ist daher nicht überraschend, dass der Glaube für eine Gemeinschaft die gleiche (zentrale) Rolle spielt wie das Herz für den Körper (Siehe: „Ad-Din“, S. 98, 102). Wenn der Glaube allgemein eine solche Stellung einnimmt, sieht man heutzutage die Vielfalt der Religionen und Glaubensrichtungen in dieser Welt, und jede Gruppe ist stolz auf ihren Glauben und hält daran fest. Was ist also der wahre Glaube, der der menschlichen Seele das verleiht, wonach sie strebt? Und was sind die Kriterien für den wahren Glauben?

Und Allah weiß es am besten.

Quelle: Entnommen aus dem Buch: „Der Islam, seine Grundlagen und seine Prinzipien“ von Dr. Muhammad Ibn 'Abdillah Ibn Salih As-Suhaym