Die Unfehlbarkeit der Propheten
Die Propheten sind die Auserwählten unter den Menschen, die edelsten Geschöpfe bei Allah. Allah - erhaben ist Er - hat sie auserwählt, um den Menschen die Botschaft „Es gibt keinen Gott außer Allah“ zu verkünden. Er machte sie zu den Vermittlern zwischen Ihm und Seinen Geschöpfen bei der Übermittlung Seiner Offenbarung. Ihre Aufgabe ist es, das weiterzugeben, was Allah ihnen offenbart hat. Allah - erhaben ist Er - sagte: „Jene sind es, denen Wir die Schrift, das Urteil und das Prophetentum gegeben haben. Wenn aber diese es verleugnen, so haben Wir damit schon (andere) Leute betraut, die dem gegenüber nicht ungläubig sind.“
(Surah Al-An'am, Vers 89)
Da die Propheten die Aufgabe haben, die Botschaft Allahs zu übermitteln, obwohl sie Menschen sind, unterscheidet man in Bezug auf ihre Unfehlbarkeit ('Isma) zwischen zwei Aspekten:
- Unfehlbarkeit in der Verkündung der Religion.
- Unfehlbarkeit in Bezug auf menschliche Fehler.
Die Unfehlbarkeit der Propheten in der Verkündung der Religion
In Bezug auf die Verkündung der Religion sind die Propheten vollkommen unfehlbar. Sie verbergen nichts von dem, was Allah ihnen offenbart hat, und fügen nichts Eigenes hinzu.
Allah sagt zu Seinem Propheten Muhammad - Allahs Segen und Frieden auf ihm -: „O du Gesandter, übermittle, was zu dir (als Offenbarung) von deinem Herrn hinabgesandt worden ist! Wenn du es aber nicht tust, so hast du Seine Botschaft nicht übermittelt. Und Allah wird dich vor den Menschen schützen.“ (Surah Al-Maidah, Vers 67)
Und Er sagt: „Und hätte er sich gegen Uns einige Aussprüche selbst ausgedacht, hätten Wir ihn fürwahr an der Rechten gefasst und ihm hierauf gewiss die Herzader durchschnitten, und niemand von euch hätte (Uns) dann von ihm abhalten können.“ (Surah Al-Ḥaqqah, Vers 44-47)
Und Allah sagte: „Und er hält nicht aus Geiz das Verborgene (der Offenbarung) zurück.“
(Surah At-Takwir, Vers 24)
Shaykh 'Abdur-Rahman As-Sa'di - möge Allah ihm barmherzig sein - sagte in seiner Erklärung zu diesem Vers: „Er ist nicht geizig mit dem, was Allah ihm offenbart hat, und verbirgt nichts davon. Vielmehr ist er - Frieden und Segen seien auf ihm - der Vertrauenswürdigste der Himmel und der Erde. Er hat die Botschaften seines Herrn vollständig übermittelt, ohne etwas davon zurückzuhalten – weder vor Reichen noch Armen, weder vor Herrschern noch Untergebenen, weder vor Männern noch Frauen, weder vor Städtern noch Beduinen. Deshalb sandte Allah ihn zu einem ungebildeten, unwissenden Volk, und er starb nicht, bis sie gelehrte, gottgefällige Menschen geworden waren.“
Daraus folgt: Der Prophet begeht bei der Verkündung der Religion seines Herrn keinerlei Fehler, weder große noch kleine. Er ist stets durch Allahs Schutz bewahrt.
Shaykh 'Abdul-'Aziz Ibn Baz - möge Allah ihm barmherzig sein - sagte in seinen „Fatawa“ (6/371): „Die Muslime sind sich ausnahmslos einig, dass alle Propheten, insbesondere Muhammad - Allahs Segen und Frieden auf ihm - vor Irrtum in dem bewahrt sind, was sie von Allah übermitteln. Allah sagt: ‚Bei dem Stern, wenn er sinkt! Nicht in die Irre gegangen ist euer Gefährte, und auch nicht einem Irrtum ist er erlegen, und er redet nicht aus (eigener) Neigung. Vielmehr ist es eine Offenbarung, die (ihm) eingegeben wird. Belehrt hat ihn (Jibril,) der Besitzer starker Kräfte,‘ (Surah An-Najm, Verse 1-5) Somit ist unser Prophet Muhammad - Allahs Segen und Frieden auf ihm - in allem, was er von Allah übermittelt, sei es durch Worte, Taten oder Bestätigungen, unfehlbar. Darüber besteht unter den Gelehrten kein Streit.“
Auch besteht in der islamischen Gemeinschaft Einigkeit darüber, dass die Gesandten in der Übernahme der Offenbarung unfehlbar sind. Sie vergessen nichts von dem, was Allah ihnen offenbart hat – außer etwas, das aufgehoben (abrogiert) wurde. Allah hat Seinem Gesandten - Allahs Segen und Frieden auf ihm - zugesichert, dass Er ihm den Quran lehren und ihn davor bewahren wird, ihn zu vergessen – außer in den Fällen, die Allah will.
Allah - erhaben ist Er - sagte: „Wir werden dich (o Prophet den Quran) lesen lassen, und dann wirst du nichts vergessen, außer dem, was Allah will. Wahrlich, Er kennt das Offenkundige und was verborgen bleibt.“ (Surah Al-A'la, Verse 6-7)
Und Er sagt: „Wahrlich, Uns obliegt seine Sammlung und sein Vortragen. Und (erst) wenn Wir ihn vorgelesen haben, dann folge du der Art seines Vortragens.“ (Surah Al-Qiyamah, Verse 17-18)
Shaykh Al-Islam, Ibn Taymiyyah - möge Allah ihm barmherzig sein - sagte in seinem Werk „Majmu' Al-Fatawa“ (18/7): „Die Verse, die das Prophetentum der Propheten belegen, zeigen, dass sie in dem, was sie über Allah berichten, unfehlbar sind. Ihre Aussagen sind stets wahr. Das ist das Wesen des Prophetentums, dass Allah ihnen Wissen über das Verborgene gibt, und dass sie die Menschen darüber informieren. Der Gesandte ist beauftragt, die Menschen zu rufen und ihnen die Botschaften seines Herrn zu übermitteln.“
Die Unfehlbarkeit der Propheten in Bezug auf menschliche Fehler
Was die Propheten als Menschen betrifft, so können auch von ihnen Handlungen ausgehen, die als Fehler gelten. Dabei gibt es jedoch unterschiedliche Stufen:
Die Freiheit von großen Sünden (Kabair)
Große Sünden werden von den Propheten niemals begangen – sie sind davor vollkommen bewahrt, und zwar sowohl vor als auch nach ihrer Entsendung als Propheten.
Shaykh Al-Islam Ibn Taymiyyah - möge Allah ihm barmherzig sein - sagte in „Majmu' Al-Fatawa“ (4/319): „Die Aussage, dass die Propheten vor großen Sünden, nicht aber vor kleinen Sünden unfehlbar sind, ist die Ansicht der Mehrheit der islamischen Gelehrten aller Gruppierungen. Sie ist auch die Meinung der meisten Exegeten, Hadith-Gelehrten und Rechtsgelehrten. Von den frühen Generationen – den Gefährten, den Nachfolgern und deren Schülern – wurde nichts anderes überliefert, das dieser Ansicht widersprechen würde.“
Angelegenheiten, die nichts mit der Verkündung der Offenbarung zu tun haben
Kleine Sünden (Saghair) können von Propheten oder einigen von ihnen vorkommen. Die Mehrheit der Gelehrten ist der Ansicht, dass sie darin nicht unfehlbar sind. Wenn jedoch eine kleine Sünde geschieht, lässt Allah sie nicht dabei, sondern macht sie darauf aufmerksam, woraufhin sie sofort bereuen. Ein Beweis dafür, dass kleine Verfehlungen geschehen können, sie aber nie bestätigt oder stehen gelassen werden, findet sich in mehreren Beispielen aus dem Quran:
Adam - Frieden sei auf ihm -: Allah sagte: „So aßen sie beide davon, und da entblößte sich ihre Blöße sichtbar, und sie begannen, Blätter des (Paradies)gartens auf sich zusammenzuheften. Und Adam hatte sich seinem Herrn widersetzt, und so fiel er in Verirrung. Hierauf erwählte ihn sein Herr aus, und so vergab Er ihm (und nahm seine Reue an) und leitete (ihn) recht.“ (Surah Taha, Verse 121–122) Dies beweist, dass Adam eine Verfehlung beging, sie aber bereute und Allah seine Reue annahm.
Musa - Frieden sei auf ihm -: Allah sagte: „Er (also Musa) sagte: ‚Das gehört zum Werk des Satans. Wahrlich, er ist ein deutlicher und irreführender Feind.‘ Er sagte: ‚Mein Herr, ich habe mir selbst Unrecht zugefügt; so vergib mir.‘ Da vergab Er ihm, denn Er ist ja der Allvergebende und der Barmherzige.“ (Surah Al-Qasas, Verse 15-16) Musa bekannte seine Tat (den Totschlag des Ägypters) als Fehler und bat Allah um Vergebung – und Allah vergab ihm.
Dawud - Frieden sei auf ihm -: Allah sagte: „(Einer der beiden sagte:) ‚Dieser da, mein Bruder, hat neunundneunzig weibliche Schafe, ich aber (nur) ein einziges Schaf. Da sagte er: ‚Vertraue es mir an’, und er überwand mich in der Rede.‘ Er (also Dawud) sagte: ‚Er hat dir ja Unrecht getan, dass er dein Schaf zu seinen Schafen hinzu verlangte. Und wahrlich, viele von den Teilhabern begehen gegeneinander Übergriffe, außer denjenigen, die glauben und rechtschaffene Werke tun - und das sind nur wenige.‘ Und Dawud war sich bewusst, dass Wir ihn nur der Versuchung ausgesetzt hatten. Da bat er seinen Herrn um Vergebung und fiel in Verbeugung nieder und wandte sich (Ihm) reuig zu.“ (Surah Sad, Verse 23-24) Der Fehler Dawuds bestand darin, dass er vorschnell urteilte, bevor er den zweiten Streitpartner anhörte.
Der Prophet Muhammad - Allahs Segen und Frieden auf ihm -: Auch unser Prophet wurde von Allah in bestimmten Angelegenheiten sanft zurechtgewiesen, wie im Quran erwähnt.
Allah sagte: „O Prophet, warum verbietest du, was Allah dir erlaubt hat, indem du danach trachtest, die Zufriedenheit deiner Gattinnen zu erlangen? “ (Surah At-Tahrim, Vers 1) Dies bezieht sich auf die bekannte Begebenheit mit einigen seiner Ehefrauen.
In Sahih Muslim (Hadith Nr. 4588) wird überliefert, dass der Prophet - Allahs Segen und Frieden auf ihm - nach der Schlacht von Badr seine Gefährten nach ihrer Meinung über die Kriegsgefangenen fragte. Abu Bakr riet dazu, sie gegen Lösegeld freizulassen, während 'Umar empfahl, sie zu töten. Der Prophet - Allahs Segen und Frieden auf ihm - neigte zur Meinung Abu Bakrs. Am nächsten Tag offenbarte Allah: „Es steht keinem Propheten zu, Gefangene zu haben, bis er (den Feind überall) im Land schwer niedergekämpft hat … So esst nun von dem, was ihr (an Kriegsbeute) erbeutet habt, als etwas Erlaubtes und Gutes,“ (Surah Al-Anfal, Verse 67-69) Dies zeigt, dass die Entscheidung des Propheten ein persönliches Urteil (Ijtihad) war, das Allah später korrigierte.
Allah sagte: „Er blickte (etwas) düster und kehrte sich ab.“ (Surah 'Abasa, Verse 1-2) In dieser bekannten Begebenheit tadelte Allah Seinen Gesandten dafür, dass er den blinden Gefährten 'Abdullah Ibn Umm Maktum zunächst unbeachtet ließ.
Shaykh Al-Islam Ibn Taymiyyah sagte weiter in „Majmu' Al-Fatawa“ (4/320): „Die allgemeine Meinung der meisten Gelehrten ist, dass die Propheten nicht davor bewahrt sind, kleine Sünden zu begehen – aber sie werden nicht darin belassen und bekennen sie sofort. Niemand von ihnen behauptet, sie seien in jeder Hinsicht vollkommen unfehlbar. Die ersten, die die völlige Unfehlbarkeit (in allem, auch bei Vergesslichkeit, Irrtum oder Auslegung) vertraten, waren die Schiiten (Rafidhah).“
Einige Menschen empfinden Schwierigkeiten, dies zu akzeptieren, und versuchen daher, die Quran- und Hadithtexte, die darauf hinweisen, umzudeuten. Dahinter stehen meist zwei Scheinargumente (Schubuhat):
Erstes Scheinargument: Allah hat befohlen, den Gesandten zu folgen und sie als Vorbild zu nehmen. Wenn der Gesandte aber eine Sünde begehen könnte, würde dies bedeuten, dass Allah uns befiehlt, sowohl zu folgen (weil er Vorbild ist) als auch nicht zu folgen (weil es Sünde wäre) – ein Widerspruch.
Antwort: Diese Einwendung wäre berechtigt, wenn der Fehler verborgen bliebe und sich mit der Wahrheit vermischte. Doch Allah macht Seine Propheten stets auf Fehler aufmerksam, klärt sie auf und führt sie sofort zur Reue. Somit besteht kein Widerspruch zwischen dem Gebot, ihnen zu folgen, und ihrer Menschlichkeit.
Zweites Scheinargument: Sünden widersprechen Vollkommenheit und stellen einen Mangel dar.
Antwort: Das ist nur dann richtig, wenn keine Reue folgt. Wenn jedoch Reue erfolgt, wird die Sünde vergeben und stellt keinen Makel dar. Im Gegenteil: Oft ist ein Diener nach aufrichtiger Reue besser als vor dem Fehltritt. Und es ist bekannt, dass kein Prophet jemals eine Sünde beging, ohne sofort Reue und Vergebung zu suchen. Allah ließ sie nie in einer Sünde verharren. Sie verzögerten ihre Reue nie – so bewahrte Allah sie davor. Nach der Reue waren sie vollkommener als zuvor.
Fehler in manchen weltlichen Angelegenheiten ohne Absicht
Was den Irrtum in weltlichen Dingen betrifft, so ist es den Propheten möglich, darin Fehler zu begehen – trotz ihres vollkommenen Verstandes, ihrer richtigen Urteilsfähigkeit und ihrer klaren Einsicht. Solches ist tatsächlich bei einigen Propheten vorgekommen, darunter auch bei unserem Propheten Muhammad - Allahs Segen und Frieden auf ihm. Das betrifft verschiedene Lebensbereiche wie Medizin, Landwirtschaft und anderes.
Muslim überliefert in seinem Sahih-Werk (Nr. 6127) von Rafi' Ibn Khadij - möge Allah mit ihm zufrieden sein -: Der Prophet Allahs - Allahs Segen und Frieden auf ihm - kam nach Al-Madinah, und dort befruchteten die Menschen die Dattelpalmen. Er fragte: „Was tut ihr da?“
Sie sagten: „Wir pflegen das so zu machen.“ Da sagte er: „Vielleicht wäre es besser, wenn ihr es nicht täten.“ Daraufhin unterließen sie es – und die Ernte wurde schlechter. Als sie ihn daraufhin darüber informierten, sagte er: „Ich bin nur ein Mensch. Wenn ich euch etwas in Bezug auf eure Religion befehle, dann haltet euch daran; und wenn ich euch etwas aus meiner eigenen Meinung heraus sage, dann bin ich nur ein Mensch.“ Daraus wird deutlich, dass die Propheten Allahs vor Irrtum im Bereich der Offenbarung bewahrt sind. Hüten wir uns also vor jenen, die an der Übermittlung der Botschaft des Gesandten - Allahs Segen und Frieden - zweifeln, seine Gesetzgebung infrage stellen und behaupten, es seien nur persönliche Meinungen gewesen – fern sei das von ihm - Allahs Segen und Frieden auf ihm. Denn Allah, der Erhabene, sagte: „und er redet nicht aus (eigener) Neigung. Vielmehr ist es eine Offenbarung, die (ihm) eingegeben wird.“ (Surah An-Najm, Verse 3-4)
Die Ständige Fatwa-Kommission wurde gefragt: „Begehen die Propheten und Gesandten Fehler?“
Sie antwortete: „Ja, die Propheten begehen Fehler, doch Allah der Erhabene lässt sie nicht in ihrem Fehler bestehen. Er zeigt ihnen ihren Irrtum auf – aus Barmherzigkeit ihnen und ihren Gemeinschaften gegenüber –, vergibt ihnen ihre Fehltritte und nimmt ihre Reue an, aus Seiner Gnade und Barmherzigkeit. Und Allah ist allvergebend, barmherzig. Dies wird durch das genaue Studium der Quran-Verse deutlich, die darauf hinweisen.“ „Fatawa der Ständigen Kommission“ (3/194)
Und Allah weiß es am besten.