Freitag 28 Ramadhaan 1446 - 28 März 2025
German

Die Aneignung edler Charaktereigenschaften

Frage

Wie eigne ich mir gute Charaktereigenschaften ein?

Inhalt der Antwort

Alles Lob gebührt Allah..

Erstens:

Guter Charakter ist eine Eigenschaft des Anführers der Gesandten (dem Propheten Muhammad - Allahs Segen und Frieden auf ihm) und die beste Tat der Wahrhaftigen. Es ist - genau genommen - die Hälfte der Religion, die Frucht des Strebens der Gottesfürchtigen und die Übung der Dienenden. Schlechte Charaktereigenschaften hingegen sind tödliche Gifte und beschämende Schande.

Der Prophet - Allahs Segen und Frieden auf ihm - sagte: „Wahrlich, ich wurde nur gesandt, um die edlen Charaktereigenschaften zu vervollkommnen.“ Überliefert von Al-Bukhari in „Al-Adab Al-Mufrad“ (273) und von Al-Albani in „As-Silsilah As-Sahihah“ (45) als authentisch eingestuft.

Von Abu Hurayrah - möge Allah mit ihm zufrieden sein - wird überliefert: Er sagte: Der Gesandte Allahs - Allahs Segen und Frieden auf ihm - wurde gefragt, welche Eigenschaft die Menschen am häufigsten ins Paradies führt. Er antwortete: „Furcht (vor Allah) und guter Charakter." Überliefert von At-Tirmidhi (2004), der sagte: „Sahih gharib” (authentisch, aber fremd). Al-Albani stufte ihn „Sahih At-Tirmidhi“ als authentisch ein.

Daher gehört die sorgfältige Beachtung der Regeln zur Heilung der Krankheiten der Herzen sowie der Wege zum Erwerb edler Charaktereigenschaften zu den wichtigsten Pflichten. Denn kein Herz ist frei von Krankheiten, die - wenn sie vernachlässigt werden - sich anhäufen und vermehren. Und keine Seele ist frei von Eigenschaften, die - wenn ihnen freien Lauf gelassen wird - den Menschen ins Verderben in dieser Welt und im Jenseits führen. Diese Art der Heilung erfordert eine feine Kenntnis der Ursachen und Symptome sowie einen entschlossenen Einsatz zur Behandlung und Besserung, um Erfolg und Erlösung zu erlangen. Allah - erhaben ist Er - sagte: „Wohl ergehen wird es ja jemandem, der sie läutert.“ (Asch-Schams:9)

Der Prophet - Allahs Segen und Frieden auf ihm - pflegte im Bittgebet um einen guten Charakter zu bitten, er sagte: „O Allah, Du hast meine Schöpfung (d.h. Äußeres) schön gemacht, so mache auch meinen Charakter schön.“ Überliefert von Ibn Hibban in seinem Sahih-Werk (3/239) und von Al-Albani in „Irwa Al-Ghalil“ (75) als authentisch eingestuft.

Zweitens:

Wenn der Diener Allahs die Mängel seiner eigenen Seele erkennt, kann er sie behandeln. Doch viele Menschen sind sich ihrer eigenen Fehler nicht bewusst - sie sehen den kleinen Splitter im Auge ihres Bruders, aber übersehen den Balken in ihrem eigenen Auge. Wer seine eigenen Mängel erkennen möchte, hat vier Wege:

Der erste Weg: Er soll sich zu einem weisen Gelehrten setzen, der die Fehler der Seele kennt und mit den verborgenen Krankheiten vertraut ist. Von ihm kann er sowohl Wissen als auch Erziehung und Anleitung erhalten.

Der zweite Weg: Er soll sich einen aufrichtigen, weisen und frommen Freund suchen und ihn als Beobachter über sich selbst einsetzen. Dieser soll auf seine Zustände und Taten achten und ihn auf schlechte Eigenschaften, Handlungen sowie innere und äußere Mängel hinweisen. So handelten die Klugen und Großen unter den Imamen der Religion. ʿUmar - möge Allah mit ihm zufrieden sein - sagte: „Möge Allah demjenigen Barmherzigkeit erweisen, der mich auf meine Fehler hinweist."

Der dritte Weg: Er kann seine eigenen Fehler durch die Zungen seiner Feinde erkennen, denn das Auge der Unzufriedenheit enthüllt die Mängel. Möglicherweise profitiert ein Mensch mehr von einem feindseligen Gegner, der ihn an seine Fehler erinnert, als von einem schmeichelnden Freund, der ihn lobt und ihm seine Mängel verheimlicht.

Der vierte Weg: Er soll mit den Menschen Umgang pflegen. Alles, was er bei den Menschen als tadelnswert sieht, soll er auf sich selbst beziehen und sich selbst zur Verantwortung ziehen. Denn der Gläubige ist der Spiegel des Gläubigen - an den Fehlern anderer erkennt er seine eigenen. Es wurde Isa - Friede sei mit ihm - gefragt: „Wer hat dich zu gutem Benehmen erzogen?“ Er antwortete: „Niemand hat mich erzogen. Ich sah die Unwissenheit der Unwissenden als Makel und mied sie.“

Drittens:

Der (gute) Charakter ist der innere Zustand der Seele und ihr verborgenes Erscheinungsbild. So wie die äußere Schönheit eines Menschen nicht allein durch schöne Augen ohne eine Nase, einen Mund und Wangen erreicht wird - vielmehr erfordert äußere Schönheit die Harmonie aller (dieser Merkmale) -, so gibt es auch im Inneren vier (grundlegende) Säulen, die alle in ihrer Vollkommenheit vorhanden sein müssen, damit der Charakter als schön gilt. Wenn diese vier Säulen ausgeglichen, harmonisch und in Einklang gebracht sind, entsteht ein edler Charakter. Diese (vier Säulen) sind:

Die Kraft des Wissens, die Kraft des Zorns, die Kraft der Begierde, die Kraft der Gerechtigkeit, zwischen diesen drei Kräften.

Die Kraft des Wissens entfaltet ihre Schönheit und Vollkommenheit darin, dass sie es (dem Menschen) erleichtert, zwischen Ehrlichkeit und Lüge in Aussagen, zwischen Wahrheit und Falschheit in Überzeugungen, sowie zwischen Schönem und Hässlichem in Handlungen zu unterscheiden. Wenn diese Kraft in einem guten Zustand ist, bringt sie die Frucht der Weisheit hervor - und die Weisheit ist die Grundlage des edlen Charakters.

Die Kraft des Zorns entfaltet ihre Schönheit darin, dass sich ihr Zurückhalten und ihr Ausbrechen nach dem Maßstab der Weisheit richtet.

Ebenso zeigt sich die (Kraft) der Begierde in ihrer Schönheit und Vollkommenheit dadurch, dass sie sich der Führung der Weisheit unterordnet - das heißt, der Leitung von Vernunft und der (islamischen) Gesetzgebung.

Die (Kraft) der Gerechtigkeit wiederum besteht darin, sowohl die Begierde als auch den Zorn unter der Führung der Vernunft und der (islamischen) Gesetzgebung zu halten.

Die Vernunft gleicht einem weisen Berater, der Ratschläge gibt. Die Kraft der Gerechtigkeit entspricht der Fähigkeit, (diese Ratschläge umzusetzen) - sie ist also derjenige, der die Anweisungen der Vernunft verwirklicht. Der Zorn (hingegen) ist das Mittel, durch das diese Anweisungen ausgeführt werden.

Wer diese (Eigenschaften) in sich vereint und in ausgewogenem Maße besitzt, gilt als von edlem Charakter im umfassenden Sinne. Aus dieser Ausgewogenheit entspringen alle schönen Charaktereigenschaften.

Die vollkommene Ausgewogenheit dieser vier Eigenschaften erreichte nur der Gesandte Allahs - Allahs Segen und Frieden auf ihm. Die Menschen nach ihm unterscheiden sich in ihrem Grad der Nähe oder Entfernung zu ihm. Wer ihm in diesen Charaktereigenschaften näherkommt, der kommt Allah - erhaben ist Er - in dem Maße näher, wie er dem Gesandten Allahs nahe ist.

Viertens:

Diese Ausgewogenheit wird auf zwei Arten erreicht:

Erstens: Durch göttliche Gnade und natürliche Vollkommenheit.

Zweitens: Durch den Erwerb dieser Charaktereigenschaften durch Anstrengung und Übung, das heißt, indem man die Seele dazu bringt, jene Taten auszuführen, die der angestrebten Charakter(eigenschaft) entsprechen.

Der Gesandte Allahs - Allahs Segen und Frieden auf ihm - sagte: „Wissen (erlangt man) durch Lernen, Nachsicht durch das Üben von Nachsicht. Wer nach Gutem strebt, dem wird es gegeben, und wer sich vor Schlechtem hütet, dem wird es erspart." Überliefert von Al-Khatib und anderen von Abu Ad-Dardaʾ; als hasan (gut) eingestuft von Al-Albani.

Wer sich beispielsweise die Eigenschaft der Großzügigkeit aneignen möchte, dessen Weg besteht darin, sich bewusst dazu zu verpflichten, großzügige Taten zu vollbringen - (insbesondere) das Geben von Geld. Er muss sich kontinuierlich dazu anhalten und sich darin üben, auch wenn es ihm zunächst schwerfällt, bis diese Eigenschaft schließlich (für ihn) wird und ihm das Geben leichtfällt, sodass er wahrhaft großzügig wird.

Ebenso gilt: Wer sich die Eigenschaft der Bescheidenheit aneignen möchte, während ihn Hochmut überkommt, dessen Weg besteht darin, sich über eine lange Zeit hinweg bewusst an die Taten der Bescheidenen zu halten. Dabei muss er gegen sein Ego ankämpfen und sich überwinden, bis diese Eigenschaft schließlich zu seiner Natur wird und ihm Bescheidenheit leichtfällt.

Alle charakterlichen (Eigenschaften), die im islamischen Recht lobenswert sind, lassen sich auf diese Weise erlangen. Die religiösen Tugenden werden in der Seele jedoch erst dann fest verankert, wenn die Seele sich an alle guten Gewohnheiten gewöhnt, alle schlechten Taten aufgibt und sie mit der Beharrlichkeit eines Menschen praktiziert, der sich nach edlen Taten sehnt und Freude daran empfindet, während er schlechte Taten verabscheut und unter ihnen leidet.

Dies lässt sich an (folgendem) Beispiel verdeutlichen:

Wer gut im Schreiben werden und es sich zur Gewohnheit machen möchte und ein geübter Schreiber werden möchte, hat keinen anderen Weg, als mit seiner Hand die Bewegungen eines erfahrenen Schreibers nachzuahmen und dies über einen langen Zeitraum regelmäßig zu üben. Dabei versucht er, eine schöne Handschrift nachzubilden und imitiert die Schreibweise eines geübten Schreibers. Wenn er dies jedoch beständig fortführt, wird diese Fähigkeit schließlich zu einem festen Wesenszug in ihm, sodass er am Ende (ganz) natürlich (und ohne Anstrengung) eine schöne Handschrift hervorbringt.

Ebenso gilt: Wer ein tiefgründiges Verständnis des Fiqh (islamische Rechtswissenschaft) entwickeln möchte, hat keinen anderen Weg, als die Handlungen der Fiqh-Gelehrten nachzuahmen - insbesondere das wiederholte (Studium und Lernen) des Fiqh. (Durch diese ständige Übung) wird das Wissen nach und nach fest in seinem Herzen verankert, bis er wirklich vertraut damit wird.

Genauso verhält es sich mit jemandem, der großzügig, enthaltsam, nachsichtig und bescheiden werden möchte: Er muss sich die Taten solcher (Menschen) bewusst aneignen, bis diese Eigenschaften zu seiner Natur werden. Es gibt für ihn keine andere Therapie als diese.

So wie jemand, der ein tiefgründiges Verständnis des Fiqh anstrebt, nicht daran verzweifeln darf, dieses Ziel wegen einer einzigen ungenutzten Nacht zu verfehlen, und es zugleich nicht durch das Studium einer (einzigen) Nacht erreichen kann, gilt dasselbe für denjenigen, der seine Seele läutern, vervollkommnen und mit guten Taten schmücken möchte. Er erreicht dies nicht durch einen einzigen Tag der Anbetung, und wird auch nicht allein durch einen Tag des Ungehorsams davon ausgeschlossen. Allerdings führt eine einzige Nachlässigkeit dazu, dass gleiches folgt - und so setzt sich dies allmählich fort, bis die Seele sich schließlich an die Faulheit gewöhnt.

Fünftens:

Das Beispiel der Seele bei der Heilung ihrer schlechten Eigenschaften und dem Erwerben eines guten Charakters ist wie das Beispiel des Körpers bei der Heilung von Krankheiten und dem Erreichen von Gesundheit.

So wie das Grundgleichgewicht (des Körpers) das Maß der Gesundheit ist, und nur durch ungünstige Einflüsse wie falsche Nahrung, Luft oder (durch andere äußere) Umstände Störungen auftreten, so wird auch jeder Mensch ursprünglich mit einer gesunden natürlichen Veranlagung (arab. Fitrah) geboren. Vielmehr sind es seine Eltern, die ihn zum Juden, Christen oder Zoroastrier machen - das bedeutet, dass schlechte Eigenschaften durch Gewohnheit und Erziehung erworben werden.

Genauso wie der Körper zu Beginn nicht vollständig ist und nur durch Ernährung und Erziehung an Stärke und Gesundheit gewinnt, so wird auch die Seele unvollständig geboren, aber sie ist fähig, Vollkommenheit zu erreichen, (und zwar) durch Erziehung, Verbesserung des Charakters und Ernährung mit Wissen.

So wie der Körper, wenn er gesund ist, die Aufgabe des Arztes darin besteht, die Gesundheit zu erhalten, und wenn er krank ist, (die Aufgabe des Arztes) darin besteht, die Gesundheit wiederherzustellen, so ist es auch mit deiner Seele: Wenn sie rein, gesund und veredelt ist, musst du darauf achten, sie zu bewahren und weiter zu stärken, um ihre (guten) Eigenschaften zu mehren. Wenn sie jedoch unvollständig und unrein ist, solltest du bestrebt sein, ihr Vollkommenheit und Reinheit zu verschaffen.

So wie die Ursache, die das Gleichgewicht des Körpers stört und Krankheit verursacht, nur durch das Gegenteil behandelt werden kann - wenn die Ursache Hitze ist, dann durch Kälte, und wenn (die Ursache) Kälte ist, dann durch Wärme - so wird auch die Lasterhaftigkeit, die Krankheit des Herzens, durch ihr Gegenteil geheilt. Der Krankheit des Unwissens behandelt man mit Lernen, die Krankheit des Geizes mit Großzügigkeit, die Krankheit des Hochmuts mit Bescheidenheit, und die Krankheit der Gier mit dem bewussten Zurückhalten von Verlangen.

So wie es notwendig ist, die Bitterkeit des Medikaments und die Geduld beim Verzicht auf die verlangten Dinge zu ertragen, um den kranken Körper zu heilen, so ist es auch notwendig, die Bitterkeit der Anstrengung und die Geduld bei der Bekämpfung des Lasters zu ertragen, um das Herz zu heilen. Vielmehr ist dies sogar noch wichtiger, denn die Krankheit des Körpers endet mit dem Tod, während die Krankheit des Herzens - möge Allah uns davor bewahren - eine Krankheit ist, die nach dem Tod weiterbesteht und ewig währt.

Diese Beispiele verdeutlichen dir den Weg zur Heilung des Herzens und weisen darauf hin, dass der gesamte Weg darin besteht, sich dem Gegenteil dessen zu widmen, was die Seele begehrt und sich wünscht. All dies hat Allah in Seinem edlen Buch in einem einzigen Vers zusammengefasst, Er - erhaben ist Er - sagte: „Was aber jemanden angeht, der den Stand seines Herrn gefürchtet und seiner Seele die (bösen) Neigungen untersagt hat,

(40) so wird der (Paradies)garten (ihm) Zufluchtsort sein. (41)“ (An-Naziʿat:40-41)

Abschließend:

Der wesentliche Grundsatz in der (Selbst-)Abmühung (arab. Mujahada) ist, das fest gefasste Vorhaben einzuhalten. Wenn man sich vorgenommen hat, eine Begierde zu unterlassen, muss man Geduld aufbringen und konsequent bleiben. Denn wenn man sich daran gewöhnt, seinen Entschluss zu brechen, wird (die Seele) diese Nachlässigkeit gewöhnen und dadurch verderben. Sollte es dennoch zu einem Bruch des Entschlusses kommen, sollte man sich selbst eine Strafe auferlegen, um sich zu disziplinieren. Wenn man die Seele jedoch nicht mit Strafen warnt, wird sie überhand nehmen und das Verlangen nach der Begierde wird ihr leicht erscheinen, wodurch die Übung vollständig zunichte gemacht wird.

Diese Ausarbeitungen stammen aus dem Buch „Ihya ʿUlum Ad-Din” von Al-Ghazali (3/62-98) mit einigen Anpassungen und Erweiterungen.

Und Allah weiß es am besten.

Quelle: Islam Q&A